08/2021

Neukunden auf der Spur

Wer im Versicherungssektor sein Portfolio bekannt machen und den Abverkauf steigern möchte, benötigt zielgenaue Werbung – vor allem online. Doch wo genau tummelt sich die passende Zielgruppe für das jeweilige Produkt und wie lassen sich aus Kontakten Conversions generieren?

Ob bei der Ansprache von Bestands- oder potenziellen Neukunden: Bei vielen Versicherern schlummern oft noch große ungenutzte Potenziale. Die Herausforderung dabei ist, die richtige Botschaft für die richtige Person zur richtigen Zeit im richtigen Umfeld zu platzieren.

Kaufentscheidungen reifen oftmals im Rahmen einer noch markenunabhängigen Vorinformation über digitale Touchpoints wie Suchmaschinen, soziale Netzwerke oder Erfahrungsberichte auf Internetportalen. Aber auch reale Touchpoints, zu denen der persönliche Erfahrungsaustausch im Freundes- und Bekanntenkreis zählt, spielen gerade bei Versicherungsprodukten, die ein hohes Maß an Vertrauen voraussetzen, eine entscheidende Rolle. Auf Userinteressen basierendes Targeting kann den Kaufentscheidungsprozess innerhalb der Customer Journey essentiell beeinflussen. Auf dem Weg der Entscheidungsfindung hin zum Produktkauf können Werber gezielt und am Bedarf orientierte Werbeimpulse setzen und Interessierte zu einer bestimmten Marke, Makler-Präferenz oder einem bestimmten Produkt führen. Dabei ist die Analyse der Länge sowie der Struktur der Reise des Nutzers Voraussetzung, um die passenden Impulse zu setzen. Werbe- und Datenprofis analysieren die Wege Richtung Kaufentscheidung und entwickeln komplexe Strategien, um diese zu beeinflussen. Im Rahmen einer Befragung von 10.000 Bundesbürgern für eine globale Bain-Studie zur digitalen Versicherung der Zukunft erklärten 78 Prozent, dass sie künftig auch digital mit ihrem Versicherer interagieren wollen. Umso wichtiger scheint es, dass potenzielle Kunden so einfach wie möglich sämtliche für sie für die Kaufentscheidung relevanten Informationen und Hilfestellungen bekommen.

Werbedruck gezielt aussteuern
Doch dieses Sich-immer-wieder-in-Erinnerung-Rufen ist nur ein Schritt auf dem Weg zu einer Conversion im Netz. Wichtig ist auch, den Interessenten mit den zu seinem Fortschritt in der Customer Journey passenden Inhalten zu versorgen und ihn schließlich zum regionalen POS, sprich Versicherungsmakler, zu leiten. Die Versicherungsbranche investiert in Deutschland rund 657 Millionen Euro pro Jahr in die Kommunikation, dabei lediglich 14 Prozent in digitale Channels. Aus Sicht möglicher Interessenten tritt dabei häufig die Versicherung als Marke in Erscheinung, auf der lokalen Ebene hingegen gibt es kaum Sichtbarkeit für die einzelnen Vertreter in der Umgebung der potenziellen Kunden. Die Folgen: Die tatsächliche Customer Journey ist damit nicht ausreichend berücksichtigt, weil bei der Online-Recherche der Interessenten der Link in die Region fehlt und diese im schlechtesten Fall zum besser sichtbaren Wettbewerber abwandern. Versicherer können, wenn sie regionalisierte Werbung vernachlässigen, Interessenten zudem nicht konsequent von der Informationsbeschaffung bis zum Abschluss begleiten, weshalb relevante Kundenpotentiale oft ungenutzt bleiben. Es gilt also, den Werbedruck von der nationalen Ebene bis in die lokalen Verkaufsgebiete hinein gezielt zu lenken, um die regionalen Standorte in der digitalen Auffindbarkeit zu stärken und die Customer Journey aus dem Netz zum lokalen POS zu lenken. Im besten Falle so eine „Abkürzung“ von erstem Marken- beziehungsweise Produktinteresse zum Makler zu schaffen. Dies erfordert eine sinnvolle Verzahnung nationaler und lokaler Werbeaktivitäten und eine datengetriebene Platzierung lokaler Maßnahmen. In einer Branche, in der Abschlüsse vor allem auf der Basis persönlichen Vertrauens entstehen ist der Vermittler vor Ort eine entscheidende Komponente. Dieser muss nicht nur über Werbemittel für potenzielle Kunden gut sichtbar sein, sondern auch einen vertrauenswürdigen und kompetenten Eindruck im Netz machen. Ein gut sortierter, aktueller und technisch sauberer Internetauftritt ist dabei ebenso wichtig wie ein attraktiver Preis und transparente Informationen, die beispielsweise durch FAQ-Bereiche abgedeckt werden. Denn der Internetauftritt ist auch immer Werbemittel und dient dazu, über die passenden technischen Features die Customer Journey aus dem Netz in die analoge Welt und zur physischen Unterschrift zu lenken. Ein weiterer Fokus sollte auf dem direkten Kontakt zum lokalen Standort ohne Medienbruch liegen, um die Verbindlichkeit zu steigern: Dazu gehört beispielsweise ein Termineintrag (click-to-calendar), ein Anruf (click-to-call) oder auch direkte interaktive Kommunikation wie beispielsweise ein Whatsapp-Chat für eine Beratung über die Internetseite.

Praktisches Beispiel
Ein Beispiel: Eine große deutsche Versicherung entschied sich in einem Pilotprojekt für eine gebündelte Kampagnenaussteuerung über eine spezialisierte Mediaagentur. Diese konfigurierte die Online-Maßnahmen individuell für jeden lokalen Partner, tarierte sie auf den Geokorridor des jeweiligen Vertretergebietes aus mit dem Ziel, die Sichtbarkeit der Partner im Netz zu verbessern – insbesondere in ihrem regionalen Umfeld. Außerdem sollten die Maßnahmen für die Markenpartner vor Ort einfach und ohne besondere mediaplanerische Vorkenntnisse handhabbar sein. Das Ergebnis der Kampagne: In zehn Wochen konnten 359.678 Ad Impressions (Aufrufe von Werbemitteln), 11.178 Klicks, mehr als 1.000 Anrufe und 1.484 Leads (qualifizierter Kontakt mit einem Interessenten) auf den Websites der lokalen Vertreter gezählt werden. Dabei waren 75,9 Prozent der Kontakte Interessenten, die zum ersten Mal mit der Versicherung interagierten. Die Absprungrate lag mit rund zwölf Prozent extrem niedrig (diese bewegt sich sonst häufig bei mehr als 50 Prozent). Allein das belegt die Zielgenauigkeit bei der Kampagnenaussteuerung.

Wie das Beispiel zeigt, erlauben es die technischen Möglichkeiten der digitalen Welt und die Verknüpfung von Userdaten, Werbung unabhängig vom thematischen Kontext auf eine bestimmte Zielgruppe hin ausgesteuert auszuspielen. Doch wie funktioniert das? Hierzu werden die persönliche Intention jedes einzelnen Internetnutzers sowie seine Affinität zu einem bestimmten Thema, sein digitaler Fußabdruck also, analysiert. Hat der User nach Reisen gesucht, dann sollte er beim nächsten Besuch im Internet, auch wenn er sich zum Beispiel gerade die aktuellen Bundesligaergebnisse anschaut, Angebote zu Auslandskrankenversicherungen angezeigt bekommen. Die programmatische Ausspielung der Werbemittel ist in Echtzeit auf möglichst vielen unterschiedlichen Internetportalen möglich – eben da, wo der User sich gerade aufhält und passend zu seiner bekannten Interessenslage. So können Werber durch vorab gesammeltes Wissen passende Werbebotschaften senden.

Der richtige Mix macht`s
Aber einzig und allein auf userindividuelles Targeting zu setzen, wäre zu kurz gedacht. Denn nur die Verzahnung von traditionellen Offline- und Online-Medienangeboten bringt den gewünschten Erfolg. Die höchste Wirkung erzeugen Werber nachweislich mit einer leicht variierenden, aber wiedererkennbaren Botschaft auf unterschiedlichen Kanälen. Targeting sorgt dabei für eine hohe Kosteneffizienz, weil Makler nur solche Kunden ansprechen, die durch ihr eigenes Verhalten bereits Interesse an Versicherungsthemen bekundet haben.

Fazit: Zielgerichtetes Targeting, das heißt, die Konzentration auf den interessierten und damit in diesem Moment für die Botschaften des Absenders empfänglichen Nutzer ist elementar. Und dies nicht nur im klassischen E-Commerce, sondern auch und gerade am Absprungpunkt von digitaler Vorinformation hin zu stationärem Abschluss. Wie in anderen Branchen auch wird die Vorinformation auch bei Versicherungsprodukten digitaler. Daher muss die Customer Journey im Netz mit der digitalen Sichtbarkeit des Ansprechpartners vor Ort begleitet werden. Hier liegen große Potentiale, die es zu heben gilt.

Autor: Christian Backes, Geschäftsführer von moccabirds, der auf regionale und abverkaufsorientierte Online-Mediaplanung spezialisierten Tochteragentur der moccamedia GmbH.

Extra-Tipps:

Customer Journey
Um die Customer Journey so gezielt zu begleiten, dass diese auch zum Vertragsabschluss führt, müssen möglichst viele und zielgerichtete Touchpoints geschaffen werden. Diese sind aufeinander so abzustimmen, dass sie sich ergänzen und optimieren. Dabei reichen die Möglichkeiten von grafischen Werbebannern über Content und Werbung auf Social-Media-Plattformen, Native Advertising bis hin zur Suchmaschinenwerbung.

Call-to-Action
Der sogenannte Call to Action (kurz CTA) beschreibt eine klare Handlungsaufforderung und ist das Zentrum und Ziel einer Landing Page. Eine gut strukturierte Landing Page führt den Blickverlauf des Nutzers zu der Anweisung, die ihm unmissverständlich signalisiert, was er als nächstes tun sollte. Man sollte daher den Call to Action so eindeutig wie möglich formulieren und als Blickfang (Eye-Catcher) gestalten, damit die Nutzer sich animiert fühlen, auf diesen Button zu klicken. Eine Platzierung im sichtbaren Bereich der Website („above the fold“) oder als beim Scrollen mitlaufender Button („sticky) ist zu empfehlen.

Frequency Capping
Das Frequency Capping ist eine Möglichkeit für Werbetreibende, zu bestimmen, wie oft ein Nutzer eine Anzeige maximal sehen soll. Damit kann man dem entgegenwirken, dass ein User von der Anzeige gelangweilt oder sogar genervt sein könnte. Dies kann auf Stunden-, Tages-, Wochen- und Monatsbasis definiert werden. Je nach Produkt, Werbebotschaft, Anzeigenformat und auch Variation von Anzeigen ist hier ein wirksamer Korridor zu definieren. Auch die Aussteuerung auf bestimmte Wochentage oder Uhrzeiten hin ist möglich.