KLEINES BUDGET, ABER TOP-DATEN
16/10/2019
KLEINES BUDGET, ABER TOP-DATEN
Anders als Großkonzerne kennen kleinere und mittelständische Werbungtreibende ihre Nutzer meistens sehr gut, oftmals sogar persönlich – in Zeiten von zunehmend datengetriebenen Mediastrategien ein großer Vorteil. Aber: Je kleiner das Budget ist, desto besser und individueller müssen Strategie, Einkauf und Mediamanagement ausgerichtet sein. Ein Fehlschuss trifft kleinere Unternehmen mit einem eng gesteckten Haushalt schließlich deutlich härter als Unternehmen mit großem Etat.
Text und Interviews Florian Allgayer
Welche Mediastrategie bringt mehr junge Leute dazu, Joghurt, Käse und Butter zu kaufen? Wie lässt sich eine mittelständische Molkereimarke in einem umkämpften FMCG-Segment stärken? Welcher Mix aus klassischen und digitalen Touchpoints bringt dem Mediabudget dauerhafte Präsenz? Mit einer kanalübergreifenden Bewegtbildstrategie gelingt es dem traditionellen Familienunternehmen Meggle aus dem Oberbayerischen Wasserburg am Inn, gezielt die Dachmarke zu stärken und eine jüngere, breitere Zielgruppe anzusprechen. Die kreative Mediastrategie von Meggle, entwickelt von Pilot: Der TV-Spot wird in digitalen Medien mit zielgruppenaffinen Formaten und präzisen Targetings wirkungsvoll verlängert. Neben Social Media platziert die Mediaagentur den Meggle-Content auch bei Spotify. Die TV-Präsenz wurde mit einer wetterabhängigen Schaltung optimiert: Im Rahmen der TV-Kampagne für Kräuterbutter und Kräuterbaguettes im Zeitraum April bis Juli gab es neben dem “Grundrauschen” ein On-top Werbedruck-Level, das nur ausgespielt wurde, wenn das Wetter warm und sonnig prognostiziert war. Denn Meggle-Kräuterbutter wird vor allem gern zum Grillen gekauft. Zudem wurde der Meggle-Spot über Addressable TV auch nach diesem Kriterium ausgestrahlt. Ein Mittelständler wie Meggle bewegt sich – das Beispiel zeigt es – in Sachen Media bereits auf hohem Niveau. Andere sind da noch nicht so weit. Gerade mittelständische Unternehmen fühlen sich angesichts der rasanten Veränderungen in Sachen Media oftmals verunsichert. Denn das ohnehin kleinere Mediabudget dieser Unternehmen ist nicht größer geworden, wohl aber die Anzahl der Kanäle, in denen die Wirkung der Werbe-Euros verpuffen kann. Deshalb ist es für mittelständische Entscheider wichtiger denn je, sich bei Media zu professionalisieren und bei der Zusammenarbeit mit den Mediaagenturen klare Zielvereinbarungen, erfolgsorientierte Strategien, marktgerechte Einkaufskonditionen und laufende Optimierungen einzufordern
ORIENTIERUNG AN KENNZAHLEN IST PFLICHT
Zwar bauen inzwischen auch mittelständische Unternehmen und deren Marketingleute Schritt für Schritt digitales Know-how auf, sie sind jedoch oftmals von regelrechter Digitaleuphorie geblendet. “Viele Mittelständler wünschen inzwischen nur noch reine Digitalkampagnen – auch wenn die Kanäle dies noch nicht ausreichend mit Leistungsdaten rechtfertigen”, sagt Jens Schnückel, geschäftsführender Gesellschafter der Crossmedia-Tochter Brandlocal. “Gerade wenn es um standortbezogene digitale Aktivierungskampagnen geht, fehlt häufig ein wesentlicher Faktor: Reichweite!”
Ein weiterer, häufig zu beobachtender Fehler bei der Mediastrategie von Mittelständlern sei, so Brandlocal- Chef Jens Schnückel, das fehlende holististsche Verständnis zu den einzelnen Mediaoptionen im Leistungsverbund. Zudem gibt es immer noch Mittelständler, die ihre Media ohne spitze strategische Ausrichtung und ohne Orientierung an harten Kennziffern und KPis betreiben – eine fatale Strategie, mit der so mancher Unternehmer sein Media-Geld verbrennt.
Aber Mittelständler wissen oft auch viele Dinge, die bei der Entwicklung einer Mediastrategie äußerst hilfreich sein können. Die inhabergeführten Unternehmen kennen ihre Kunden zumeist sehr genau und haben oft auch selbst langjährige Erfahrung in regionaler Media, sie können die Wirkungshebel “ihrer” lokalen Medien gut einschätzen. Viele Local Heroes schaffen es, in ihrem regionalen Umfeld selbst große Wettbewerber aus dem Rennen zu werfen, insbesondere im Bereich Handel- ein Trend, der sich in den kommenden Jahren noch verstärken könnte.
Das liegt zum einen an der stärkeren Hinwendung der Verbraucher zu regionalen Anbietern – Stichwort: Regional ist das neue Bio –, andererseits an der Tatsache, dass in einer Region verwurzelte Unternehmen und Händler eben buchstäblich die richtige Sprache im Umgang mit den Kunden verwenden. Ein Beispiel ist hier der mittelständische süddeutsche Buchhändler Osiander, der sich mit starker Kundenorientierung auf einem bekanntermaßen äußerst wettbewerbsintensiven Markt erfolgreich behauptet. Und nicht zu vergessen: Auch die Erfahrung als Unternehmer und die im Mittelstand häufig ausgeprägte Fähigkeit, Entscheidungen intuitiv und auf Basis profunder Marktkenntnis richtig zu treffen, sind beim Thema Media hilfreich.
WEN MAN KENNT, KANN MAN BESSER ANSPRECHEN
Ein weiterer Aspekt ist die allgemeine Professionalisierung im Marketing, nicht nur im Mittelstand. So ist nach Einschätzung von Christian Scholz, CEO der MediaAgentur Initiative, der durchschnittliche Mittelständler heute wesentlich mediakundiger als noch vor zehn Jahren. Durchaus ein Vorteil für die Zusammenarbeit zwischen mittelständischen Unternehmen und Mediaagenturen: “Um eine durchgängige Customer-Journey zu gestalten, ist es entscheidend, dass die einzelnen Schritte nahtlos aufeinander aufbauen und zum Kontext der vorherigen Kundeninteraktion passen”, betont Scholz. “Dafür braucht es nicht zuletzt in den Unternehmen digitale Kompetenzen und neues Marketing-Know-how, was eine silofreie Zusammenarbeit zwischen Markenverantwortlichen und uns Agenturen ermöglicht.” Die Kompetenz im Umgang mit verfügbaren Daten zu ihren Kunden und deren Interessen spielt auch für Media im Mittelstand eine entscheidende Rolle. Dass Mittelständler und kleinere Unternehmer ihre Kunden recht gut kennen, ist ein entscheidender Vorteil für Media. “First Party Data ist das Gold unserer Zeit – und je genauer die Zielgruppe definiert ist, desto besser lässt sich auch feststellen, wie welche Kanäle in eine Kommunikationsstrategie eingebunden werden sollten”, erklärt Initiative-Chef Scholz. „Je mehr heute ein Werbungtreibender bereit ist, sich intensiv zu engagieren und seine Erfahrungswerte und Daten transparent mit uns als Agentur zu teilen, desto wirksamer sind die Lösungen, die wir erarbeiten.” Aufgrund der idealen Datenlage gerade bei mittelständischen Unternehmen können schlagkräftige Mediakonzepte entstehen. Das erleben die Mediaexperten von Moccamedia immer wieder – auch im regionalen Bereich. Innovationen sollte man hier nicht den Großen überlassen, lautet ein Motto der Agentur. So hat Moccamedia beispielsweise eine Lösung namens „Quick Booster” entwickelt, mit der punktuell Verkaufsgebiete mit Onlinewerbemitteln geflutet und so die Kontaktdichte um ein Vielfaches erhöht wird. Anderes Beispiel: Die „App Rocket” zeigt bei einem Standortwechsel des Endkunden die relevante Verkaufsstelle mit ihrem individuellen Angebot auf den installierten Apps an. „Es ist das Wechselspiel unterschiedlicher Kontaktmöglichkeiten, das letztlich das beste Ergebnis für den Abverkauf des Unternehmens liefert”, sagt Cornelia Lamberty, Vorstandsvorsitzende der Moccamedia AG. Gerade im Mittelstand gelte: Schnelldrehende Medien müssen sich mit langsamer drehenden Medien ergänzen. Für die Mediaplanung ist es sehr hilfreich, wenn Werbungtreibende genau festlegen, wohin die Reise gehen soll: „Bestimmen Sie im Vorfeld genau, welche Erfolgszahlen mit welchen Kunden Sie erreichen wollen”, rät Lamberty den mittelständischen Marketingentscheidern, „dann fällt es auch leichter, die dafür nötigen Maßnahmen zu definieren.”
WENIG BUDGET FÜR NAPOLEON
Für den hierzulande eher noch unbekannten Grillhersteller Napoleon entwickelte Moccamedia eine nationale Kampagne mit verzahnten regionalen Aktivitäten. Im Vertrieb setzt die Marke ausschließlich auf den stationären Fachhandel. Ziel der Kampagne war es, Markenbekanntheit und Abverkauf zu stärken – und das mit einem vergleichsweisen kleinen Budget. Den rund 100 Napoleon Händlern standen mehrere Mediapakete zur Auswahl, die neben 18/1-Großflächenplakaten mit prominenter Nennung des nächstgelegenen Händlers vor allem auch digitale Komponenten umfassten. Google Adwords und Facebook Ads wurden regional ausgeliefert und die User beim Anklicken der Ads automatisch auf die Seite des Napoleon-Händlers in ihrer Nähe geleitet. Gleichzeitig zahlte der bundesweit einheitliche Look der händlerspezifischen Kampagnen (Kreation: Contaste Agentur für Genussmarketing, Köln) auf die Marke Napoleon ein, ohne dass dafür eine eigene Kampagne aufgesetzt werden musste. Moccamedia rundete die Kampagne durch Sponsoring in lokalen Fußballvereinen im Umfeld der Napoleon-Händler ab. Durch die Zusammenarbeit mit einem national tätigen Vermarkter und die Planung durch Moccamedia konnte die Kampagne ohne Aufwand für die einzelnen Händler umgesetzt werden. Mediastrategien können dann besonders gut wirken, wenn die Unternehmerische Intuition mit dem gezielten, intelligenten Einsatz von Daten verknüpft wird. Datenintelligenz gewinnt auch bei kleinen und mittleren Werbungtreibenden in der Kampagnenplanung an Bedeutung. So schafft die Agentur Brandlocal bei ihrem Geo-Intelligence-Ansatz unterschiedliche Daten-Layer- also etwa Kunden- und CRM-Daten, Zielgruppendaten oder Markenwerte – und macht sie so “im Raum” sicht- und erlebbar.
JEDE FILIALE MIT EIGENER MEDIA-LÖSUNG
Diesen datengetriebenen Mediaansatz hat Brandlocal beispielsweise für Globetrotter eingesetzt. Das Unternehmen, einer der größten Outdoor-Händler in Europa, betreibt Filialen an elf deutschen Standorten. Das Globetrotter-Kundenmagazin sei- in gedruckter oder digitaler Form – nach eigenen Angaben Deutschlands größtes Outdoor- und Reisemagazin. Einen Großteil seines Umsatzes generiert Globetrotter an diesen stationären Verkaufsstellen. Allerdings performen die einzelnen Filialen aufgrund ihrer individuellen Historie und ihres jeweiligen Wettbewerbsumfelds sehr unterschiedlich. “Der Kunde wird jedes Jahr anspruchsvoller, und Sortimente werden ohne harte Arbeit im Einkauf austauschbar”, beschreibt Matthias Schwarte, Head of Marketing bei Globetrotter, die Herausforderung. “Unsere Mediastrategie muss uns in die Lage versetzen, unsere Relevanz in den ausgewählten Zielgruppen eindrucksvoll zu vermitteln.” Insbesondere an neuen städtischen Standorten wie beispielsweise auf der Düsseldorfer Kö gilt es, die Marke lokal erst einmal aufzubauen. Hingegen leben die bereits etablierten großen Erlebnishäuser von Globetrotter von einem bereits vorhandenen “Depoteffekt”. Die Aufgabe bestand also darin, eine Mediastrategie zu entwickeln, die möglichst individuell auf jeden Globetrotter-Standort zugeschnitten war. Im ersten Schritt projizierte Brandlocal die unterschiedlichen Datenebenen in den hyperlokalen Raum. Zum Einsatz kamen dabei Kundendaten, Umsätze, Zielgruppendaten, Markenwerte sowie Wettbewerber- und Umfelddaten. So konnte für jeden Standort eine spezifische Empfehlung zu Budget- und Mediaeinsatz abgeleitet
werden.
CLEVERE MEDIA SCHLÄGT BIG SPENDINGS
Hauptkanal der Globetrotter-Mediastrategie waren selektierbare Out-of-Home-Flächen in den Potenzialgebieten der einzelnen Filialen. Ergänzend wurde in diesen Gebieten sowie an relevanten Points-of-Interest Mobile Werbung eingesetzt. Zur Maximierung der Reichweite nutzte Globetrotter zusätzlich Addressable TV auf Postleitzahlebene in den Filialstädten. Je nach Kampagne flankierte Brandlocal die Maßnahmen mit Display-Werbung und Online-Audio, um die jeweiligen Zielgruppen thematisch optimal anzusprechen. Die Herausforderung bei der Mediaberatung für mittelständische Werbungtreibende: Viele dieser kleineren Kunden sehen sich in ihrem Marktsegment Wettbewerbern gegenüber, die wesentlich höhere Mediabudgets zur Verfügung haben. “Das bedeutet durchaus, andere Wege zu gehen, clever zu agieren und mit vermeintlichen Regeln des Marktes zu brechen – was die Sache aber gleichzeitig sehr interessant macht”, sagt Henning Ehlert, Geschäftsführer der JOM Group.
Typisch für mittelständische Werbungtreibende wie den JOM-Mandanten Frosta sei das sehr fokussierte und qualitätsorientierte Vorgehen bei der Auswahl von Medien und Umfeldern, so Ehlert. Gleichzeitig hat die mittelständische Tiefkühlkostmarke ein Brutto-MediaBudget, das drei- bis viermal niedriger ausfällt als das des größten Wettbewerbers Iglo. Doch wie gehen Frosta und JOM damit um? Leadmedium von Frosta ist Bewegtbild, das bedeutet: viel Primetime, Einzelplatzierungen und reichweitenstarke Umfeld er. “Wir setzen auf Blockbuster, aber auch auf Shows wie ,Wer wird Millionär?”‘, erläutert Mediaexperte Ehlert. “Im digitalen Bereich ist Frosta unter anderem in den Mediatheken, aber auch bei ausgewählten Youtube Umfeldern präsent.”
Frosta berücksichtigt auch situative Aspekte und spezifische Touchpoints im Tagesverlauf der Zielgruppe. So erreicht die Marke ihre Kunden beispielsweise auf dem Weg in den Feierabend durch Außenwerbung, digitale Werbemittel und Hörfunk – oder spricht sportlich aktive Nutzer mit Infos zu den Low-Carb-Gerichten auf Werbeflächen in Fitnessstudios an. Dabei nimmt der Anteil digitaler Maßnahmen im Mediamix von Frosta zu. “Hier besteht die Möglichkeit, Zielgruppencluster noch stärker zu differenzieren und Motive situativ auszuspielen”, verdeutlicht JOM-Chef Ehlert. “Wir kombinieren hier Imagekommunikation mit gezielten Abverkaufsimpulsen.”
SCHOKOLADE NACH NUTZUNGSVERHALTEN
Eine reichweitenstarke, integrierte Mediastrategie benötigte auch Ritter Sport bei der Markteinführung der Produktlinie Kakao-Klasse. Gemeinsam mit der MediaAgentur Pilot setzte der mittelständische Schokoladenhersteller aus dem schwäbischen Waldenbuch auf eine medienübergreifende Bewegtbildvernetzung von Out-of-Home, Fernsehen und Online. An frequenzstarken Bahnhöfen nutzte Ritter Sport eine sogenannte Station Domination, eine besonders aufmerksamkeitsstarke Werbeform, bei der eine Marke sämtliche Werbeflächen eines Bahnhofs belegt. Um darüber hinaus hohe Reichweiten zu schaffen, ließ Ritter Sport den beim Launch-Event im Berliner Flagship-Store produzierten TV-Spot mit einem breiten Sendermix ausstrahlen. Um eine wirkungsvolle Kontaktdosis sicherzustellen, ergänzte Pilot die Ritter-Sport-TV Präsenz durch einen sogenannten Switch-In XXL im Addressable TV. Bei dieser Werbeform legt sich nach einem Umschaltvorgang von einem Sender zum anderen für einige Sekunden ein gebrandeter Rahmen um das laufende Programm. Nicht zuletzt, um eine junge Zielgruppe optimal zu erreichen, setzte Ritter Sport bei der Kakao-Klasse-Einführung erstmals auf Onlinebewegtbild. Dank dieser präzise ausgesteuerten Digitalstrategie konnte Ritter Sport die unterschiedlichen Teilzielgruppen passend zu ihrem Nutzungsverhalten ansprechen und die Reichweite für die beliebte Schokoladenmarke maximieren. “Wirkung entsteht durch einen optimal abgestimmten Kommunikationsmix- und zwar bis hin zum Point of Sale”, sagt Michaela Holzäpfel, Marketingleiterin Ritter Sport. “Durch die gesamtheitliche Konzeption der Kampagne, die gezielte Auswahl der Medien sowie die entsprechende Aussteuerung nach Mediennutzung und Kontaktketten haben wir ein optimales Zusammenspiel aller Maßnahmen erreicht und konnten so die neue Kakao-Klasse sehr erfolgreich im Markt einführen.”
Die Beispiele zeigen: Mittelständische Mediastrategien mit ihren oftmals kleineren Budgets müssen keinesfalls schlicht und bieder daherkommen – im Gegenteil. Ein cleverer Mix eines Mittelständlers aus digitalen und klassischen Kanälen, strategisch in Szene gesetzt dank profunder Kenntnis der Kundenwünsche und Zielgruppenerwartungen, ist in der Lage, so manche mit reichlich Werbe-Power ausgespielte Kampagne eines Big Spenders auszustechen.
