5/06/2019

DURCH DIE BLUME

Anschreien ist out, schon lange. Werbebotschaften müssen in Inhalte mit Mehrwert verpackt werden. Und zwar nicht nur digital, sondern durchaus auch in den klassischen Medien. Das zeigen ganz unterschiedliche Cases, denn Contentmarketing funktioniert für jede Marke.

Text lrmela Sc:hwab

Alarmstufe Rot! Es klingelt an der Tür, davor steht das heiße Date. Da entdeckt man plötzlich einen Punkt im Gesicht: gestern noch klein, dominiert er plötzlich die gesamte Stirn, ach was, das ganze Gesicht. Aus! Doch ein Pickel darf nicht das Liebestreffen vermasseln. So sieht es Selina Mour und rät in Bravo: “Den Hautklar S.O.S. AntiPickel-Stift benutzen, der wirkt Wunder!” Dass die Influencerin das Hautpflegeprodukt im zweiseitigen Interview zur Sprache bringt, ist natürlich abgesprochen. Bezahlt hat Garnier, die Idee stammt von Publicis. “Um Konsumenten heute relevant und nachhaltig zu erreichen, muss eine Marke mehr denn je echte Mehrwerte bieten”, sagt Uwe Roschmann, Head of Agency bei I-Beauty by Publicis. “Das heißt, sie muss inhaltlich rational dem konsumenten bei einer konkreten Fragestellung die möglichst einfache richtige Antwort geben.“ Anschreien ist out. Um den Konsumenten zu begeistern, müssen Werbungstreibende subtil vorgehen, anstatt ihm eine klassische Werbebotschaft vorzusetzten. In der heutigen Post-Push-Ära verkaufen sie über Content viel besser.

AUF AUGENHÖHE MIT DER ZIELGRUPPE

Dafür haben die Contentproduzenten Selina Mour und Keanu Rapp ins Boot geholt, das neue Social-Media Traumpaar. Als Partner und Ratgeber für Tipps rund um das Thema Hautpflege – auf Augenhöhe mit der jungen Zielgruppe. Im Stil der bekannten Bravo-Formate “Foto Love Story” und “Interview” erzählen sie, wie sich’s am besten flirten lässt, dass Selina beim ersten Date am liebsten gleich drauflosgeküsst hätte und was man eben macht, wenn man vor dem ersten Date einen fiesen Pickel entdeckt. Raschmann zufolge läuft die Integration der Garnier-Produkte in die Formate der Jugendzeitschrift so erfolgreich, dass die Kampagne bis mindester Ende 2019 weiterlaufen soll.
Die Botschaft, wie sich Hautunreinheiten bekämpfen lassen, kann man natürlich auch in eine normale 1/l-4c-Anzeige verpacken. Eingebettet in eine Geschichte im Look-and-feel der Lieblingslektüre, wird aus reiner Werbung aber ein Inhalt mit Mehrwert.

REDAKTIONELLE EINBINDUNG ERHÖHT GLAUBWÜRDIGKEIT

Aldi könnte Weine ganz herkömmlich präsentieren und mit vollmundigen Worten schmücken. Doch der Discounter hat sich zusammen mit Burdas Content-Studio Bfamous und Vermarkter BCN die Mühe gemacht, ein zweiseitiges Stück dazu zu verfassen. Der Fokus lieg dabei noch nicht einmal auf dem Produkt selbst, sondern auf dem Menschen, die es herstellen. Ein sympathischer Zug. Erzählt wird in dem Commercial-Content-Format von Aldi, das korrekt mit “Anzeige“ gekennzeichnet ist, wie die Winzer Johann Leitz und Raimund Prüm vorgehen, um exquisite Weine zu kreieren. Das Plus für die Leser: Über die Geschichte wird er ein bisschen zum Weinkenner und erfahrt natürlich auch woher die Weine von Aldi eigentlich stammen. Solch im Plauderton vermittelten Informationen haben vor allem einen Effekt: Sie stellen Nähe her zwischen Anbieter und Konsument und sorgen so für eine Art Vertrauensbasis. Publiziert wurde die Story in Bunte, Focus und Freundin.

Eine ähnliche Erlebniswelt hat BCN für Lodenfrey als Native-Kampagne in der Modezeitschrift Elle umgesetzt.
Unter dem Motto “Wahre Stilikonen” entstand ein Elle-Styling mit den “Must-haves” für den Modefrühling 2019 von Marken aus dem Hause Lodenfrey. Zu den Beteiligten gehörten internationalen Brands wie Etro und Ernpario Armani sowie deutsche, darunter Odeeh und Windsor. Die Reihe der Beispiele von gelungenen Contentkampagnen in Print ist schier endlos und zeigt: Die Strategie, Geschichten im Magazinstil einzubinden, liegt schwer im Trend. Und sie gelingt für jede Marke, auf jedem Kanal. Als Landrover plante, für zwei Jahre quer durch Peru zu fahren, wollte das Unternehmenseine Mitarbeiter nicht allein losschicken und rief in Geo, National Geographie und Stern zur Teilnahme an der Experience Tour auf. In den Gruner+ Jahr-Magazinen wurde auch über den Verlauf des Abenteuers berichtet.
Mit Contentmarketing lasse sich mehr erreichen als rein durch kurze, knappe Werbebotschaften, bestätigt Cornelia Lamberty, Vorstandsvorsitzende der Agentur moccamedia. “Durch den Mehrwert an Informationen, die dem Interessierten im Contentmarketing geboten werden, veranlasst man ihn, sich intensiver mit der Botschaft oder dem Produkt zu beschäftigen”, sagt sie. “Durch die eher redaktionelle Anmutung von Contentmarketing erzielt man eine hohe Glaubwürdigkeit.” Um die Emotionalität zu erhöhen und Nähe zu erzielen, zieht Lamberty gern regionales Targeting mit hinzu. Genauso heimatlich-heimeligen Content wie Sprache, Verein oder Brauchtum.

MAKE-UP-GESPRÄCHE ÜBER YVES SAINT LAURENT

Lamberty verweist auf die Kampagne “Dein Gesicht für Köln” von Peugeot. Als der Autobauer seine Firmenzentrale nach Köln verlegte und dem Kleinwagensegment mit dem Peugeot 208 ein neues Gesicht verpasste, sollten die Abverkaufszahlen in die Höhe klettern. Und natürlich wollte sich Peugeot als Neukölner beliebt machen. Dazu wurden lokale Ausdrücke wie “Kölsche Sproch”, “de Effzeh” und “dat Kölsch” eingesetzt. Neben klassischen crossmedialen Werbemitteln wie einem Gewinnspiel wurde dazu Native Advertising über Advertorials in lokalen Printmedien und in Radiobeiträgen genutzt: Dort gab es 0-Töne einer Kölnerin, die das Gewinnspiel gewonnen hatte. Das Resultat: Die Zulassungen von Peugeot-Fahrzeugen stiegen um 61 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat.
Bei Radiosendern werden die organischen Kampagnen gern über Gewinnspiele oder Events eingebunden. Mit Audio ist also noch mehr drin. Ein Beweis: Um den Launch der Foundation “Tauche Eclat All-in-one Glow” zu promoten, trat die Kosmetikmarke Yves Saint Laurent (YSL) als Sponsor des Podcasts “Matcha Latte” auf. In der einstündigen Episode ihrer 50. Jubiläumsfolge “Schön, schöner, Ich selbst” diskutierten die Berliner Bloggerinnen Lisa Banholzer und Masha Sedgwick über die Rolle von Mode, Fashion und Beauty. Dabei sprachen sie auch über ausgewählte YSL-Produkte. Der Podcast der beiden zählt mittlerweile 60000 Zuhörer. Während des Gesprächs über das schöne Leben lernt der Podcast-Hörer dann auch das: YSL sei eine echte Lovebrand.